Christopher Erben

Journalist Trainer Projektmanager

„Den Krieg vergessen und nach vorne blicken“

25 Jahre nach dem Ausbruch des Krieges in Bosnien-Herzegowina, über 20 Jahre nach dem Friedensvertrag von Dayton ist die ethnische Trennung in diesem Land immer noch Realität – auch in der Diaspora in Österreich. Doch die Sehnsucht bringt die Menschen wieder zusammen.

Orthodoxe Ikonen hängen an den Wänden ihrer Wohnung im 16. Wiener Bezirk, im Hintergrund spielt das Radio. „Ich lebe seit über 40 Jahren in Wien“, erzählt Ruza stolz. Sie nippt an einem Glas Wasser. Anfang der 70er Jahre, als sie als Teenagerin nach Österreich kam, war sie Jugoslawin. Heute ist sie Österreicherin bosnischer Herkunft.

Über 148.000 Menschen aus Bosnien-Herzegowina leben heute in Österreich, die meisten davon in Wien. Viele von ihnen kamen als Gastarbeiter. Diese besitzen bereits die österreichische Staatsbürgerschaft – so auch Ruza.
Von 1992 bis 1995 flohen über 90.000 Menschen vor dem Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina nach Österreich. Rund 75.000 von ihnen blieben hier, begannen ein neues Leben, bauten sich eine neue Existenz auf und integrierten sich in der Gesellschaft. Bosnien-Herzegowina wurde nach dem Krieg in zwei annähernd gleich große Entitäten geteilt: in die bosnisch-kroatische Föderation und in die Republika Srpska. Der Distrikt Brcko gehört zu keinem der beiden Teile, er untersteht dem Gesamtstaat, verwaltet sich aber selbständig. Kroaten, Serben und Bosniaken leben hier so wie früher nebeneinander. Ruza wuchs hier auf, ging zur Schule und begann eine Lehre als Verkäuferin.

Der Nationalismus brodelt

„Die bosnischen Politiker versuchen, die Menschen wieder auseinanderzubringen“, erzählt Ruza verbittert. Über das Fernsehen verfolgt sie das Geschehen in ihrer früheren Heimat. Was verbindet alle Politiker in Bosnien-Herzegowina? „Sie streiten gerne“, sagt sie. Ruza nimmt keine der drei Volksgruppen in Schutz. „Jede schiebt der anderen die Schuld am Krieg zu“, bedauert Ruza.

„Bosnien ist ein Land, in dem ständig kriselt“, ist Vedran Dzihic, überzeugt. Er ist Wissenschaftler am Institut für Internationale Politik in Wien. Auch in Österreich wird das Land so wahrgenommen.

Nicht nur die Zerstörungen seien in Bosnien-Herzegowina allgegenwärtig, auch die ethnische Trennung nach Volksgruppen, so Dzihic. Jede der drei Volksgruppen sieht sich als eigene Nation, versucht sich von der jeweils anderen bewusst abzugrenzen.

(Auszug), vollständiger Beitrag erschienen in der FURCHE 5/2018

www.furche.at

Bosnien

Christopher Erben • 27. Juli 2018


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