Auf Umwegen zur Reife
Sie sind Schulabbrecher oder Spätzünder – Menschen, die die Matura im zweiten Bildungsweg nachholen. Drei von ihnen erzählen, warum sie sich das antun.
Es ist viertel neun in der Früh. Eine Schulglocke läutet schrill: Unterrichtsbeginn in der Maturaschule Dr. Roland in Wien-Neubau. Gespräche junger Menschen sind zu hören, mischen sich darunter. Anna (vollständiger Name der Redaktion bekannt) packt ihr Handy in die Tasche und steuert eine Klasse an, deren Tür offensteht. Seit knapp zwei Jahren ist Anna hier Schülerin. Davor besuchte sie ein Gymnasium im vierten Bezirk in Wien. Sie fiel dort in mehreren Fächern durch und musste eine Klasse wiederholen – doch auch danach blieb der Schulerfolg aus. Dazu kam, dass sie von ihren Schulkollegen gemobbt wurde, erinnert sie sich. Anna: „Hier wollte ich einfach nicht mehr bleiben.“ Mitten im Sommersemester der sechsten Klasse brach sie das Gymnasium ab und wechselte zur Maturaschule Dr. Roland.
„Wir bereiten heuer über 1.400 Schüler auf die AHS-Matura und die Berufsreifeprüfung vor“, sagt Matthias Roland, Geschäftsführer der gleichnamigen Schule. Aber nicht nur hier – auch bei anderen Bildungsträgern in Österreich bereiten sie sich darauf vor. „In einer Maturaschule sind alle Schüler freiwillig. Sie arbeiten im Team mit Ihren Kollegen und kommen dadurch leichter voran“, erklärt Karin Stummvoll, Geschäftsführerin der Humboldt Maturaschule. „Als Externist die Matura abzulegen ist also nicht einfacher als im Regelschulwesen – nur anders.“ Dieser könne selbst entscheiden kann, wann und in welcher Reihenfolge er für Prüfungen lerne und zu diesen dann antritt. Jeder Maturaschüler müsse daher sehr eigenständig und zielstrebig arbeiten, ergänzt Stummvoll. Über 200 Schüler besuchen derzeit etwa bei Humboldt entsprechende Vorbereitungskurse.
Ein Dekret, vier Schulen
„Latein ist heute mein Lieblingsfach“, schwärmt Anna. „Das war früher nicht so.“ Ihr Interesse daran habe ihr Lehrer an der Maturaschule wieder geweckt. Das habe sie ihm zu verdanken. Er bereitet sie heute gemeinsam mit anderen in ihrer Klasse auf die kommissionelle Maturaprüfung vor. Die Hauptfächer Mathematik, Deutsch, Englisch, Latein oder Französisch werden jeden Tag bis zur Matura unterrichtet – in Kursen am Vormittag, Nachmittag oder Abend. Die Nebengegenstände kommen nacheinander an Reihe, erzählt Matthias Roland.
Aus acht verschiedenen Lehrplänen können angehende AHS-Externisten heute in Wien wählen. Sie müssen zuerst bei der Externistenprüfungsreferat am Wiener Stadtschulrat darum ansuchen – Voraussetzung dafür ist der positive Abschluss der achten Schulstufe. Sie erhalten dann ein Dekret, in dem die erforderlichen Zulassungsprüfungen sowie die Maturafächer stehen. Dann können sie loslegen. Der Besuch einer Maturaschule ist dafür aber nicht zwingend. Den Stoff könnten sie sich auch im Selbststudium aneignen.
(Auszug) – vollständiger Artikel erschienen in der FURCHE